Bayern München: Völlig losgelöst …

…, wie entfesselt, befreit von den gusseisernen Taktikketten des Pep Guardiola: So klang der Jubelchor nach dem demonstrativen 6:0 des FC Bayern zum Saisonstart gegen Werder Bremen. Eigentlich lästig, dass noch 33. Spieltage zu bestreiten sind. Oder?

Supercup aus Dortmund entführt, Pokalpflicht in Jena erfüllt, da sollte der Bundesliga-Auftakt bitt’ schön die Serie fortstricken. Einen Kantersieg später – zugegebenermaßen gegen indisponierte Gäste – kam einer der ersten Gratulanten aus England. Laut des Alt-Internationalen Gary Lineker könne die Liga ihre Rollläden gleich wieder runterfahren und der Rekordmeister Titel Nummer fünf am Stück begießen.

Aber der 55-Jährige hat ja auch dereinst behauptet, am Ende eines Fußballspiels gewännen stets die Deutschen – und musste gerade erst eine TV-Show in Unterhosen moderieren, weil Leicester City überraschend die Meisterschaft auf der Insel gewann. Unnötig zu erwähnen, dass seine Glaskugel ihm dies verschwiegen hatte.

In München liegt es da allein schon geografisch näher, auf Südländer zu vertrauen. Nach dreijähriger Regentschaft von Pep Guardiola wurde der Italiener Carlo Ancelotti auserkoren, das erfolgreiche Werk des Katalanen fortzusetzen. Und, wenn’s geht, gerne mal wieder die Champions League zu gewinnen. Seit dem Triple unter Jupp Heynckes scheiterte das Team dreimal vor der finalen Tür zum Endspiel.

Dabei sind zwischen Guardiola und Ancelotti durchaus Parallelen erkennbar. Beide nahmen vor dem Antritt an der Säbener Straße eine Auszeit, beide suchten die Luftveränderung in der Neuen Welt: der eine in New York, der andere zuletzt im kanadischen Vancouver, der Heimat seiner Frau. Abgesehen von imposanten Titelsammlungen soll es das aber auch fast gewesen sein mit den Gemeinsamkeiten.

Bereits vor seiner Abreise zu Manchester City war der 45-jährige Guardiola intern in zwei Hälften zerlegt worden: den Trainer und den Menschen. Größeres Talent beschieden Kritiker dem Irrwisch für erstere Funktion. Womöglich ein weiteres Argument pro Ancelotti, den Wegbegleiter auch für sein Einfühlungsvermögen schätzen. Mit der Lebenserfahrung von 57 Jahren pflegt er an der Seitenlinie meist eine beinahe buddhistische Ruhe auszustrahlen.

Nun kann ein 6:0 im ersten Bundesliga-Duell daran schwerlich etwas ändern. Der Maestro wird zufrieden beobachtet haben, dass seine neue Gefolgschaft sich für ein Plus an taktischen Freiheiten mit Esprit bedankte. Aber etwas übertrieben wirken sie schon, all die Hymnen am Beginn einer langen Saison. Oder gibt es einen Superlativ von „unschlagbar“? Eins hingegen steht fest: Viel leichter ist es nicht geworden, diese Bayern zu bezwingen.

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