S04 weiht Erinnerungsort für Vereinsgründer ein

Im Jahr seines 111-jährigen Bestehens hat der FC Schalke 04 seiner Vereinsgründer gedacht und für sie am Montag (1.6.) einen Erinnerungsort auf dem Schalke Fan-Feld eingeweiht. Ihr Erbe ist eine unglaubliche Erfolgsgeschichte, ein großes Geschenk und zugleich eine ebenso große Verantwortung.

Wenn Königsblaue an die Zukunft denken, blicken sie auch zurück. Nicht, weil sie in der Vergangenheit leben, sondern weil, wie es Ernst-Martin Barth betont, „nur eine Vergangenheit, die wir dankbar erinnern, bedeutsam für die Zukunft bleibt“. Unter den Zuhörern des Arena-Pfarrers sind etwas mehr als 40 versammelt, deren Ur-Großväter, Großväter, Väter oder Großonkel und Onkel den FC Schalke 04 gründeten. Als noch Kaiser Wilhelm II. Deutschland regiert oder bei den Olympischen Spielen Sackhüpfen zum Reigen der Sportarten gehört, beschließen sie: „Ja, wir gründen einen Fußballverein.“ Willy Gies, Johann Kessel, Viktor Krogull, Heinrich Kullmann, Adolf Oetzelmann, Ferdinand Gebauer, Johannes Hornung, Josef Seimetz, Willy van den Berg und Josef Versen – Ja-Sager im besten Sinne.

Zehn Jungs schreiben Geschichte und hätten sich wohl nicht träumen lassen, dass 111 Jahre später ihre Namen in den Marmor einer Gedenktafel gemeißelt und in den Herzen der Schalker Fans geschrieben stehen. Weil der S04 in Dimensionen gewachsen ist, die für diese jungen Männer nicht vorstellbar gewesen sind, so erinnert Vorstandsmitglied Peter Peters, nämlich „zu einem international anerkannten und erfolgreichen Verein. Zu einer globalen Marke“. Zu einem Club, der mittlerweile „eine große Anzahl von Familien ernährt und unser Leben mit Leidenschaft füttert“.

Selten passt das schöne Wort von der Vereinsfamilie so gut zu Schalke wie zu dieser Gedenkstunde. Da kommen aus dem Stadtteil Heßler drei Generationen der Familie von Johann Kessel, von Neffe Alois, der Onkel Johann 1961 noch als Gast auf der Hochzeit erlebt, bis zu Urenkel Simon, der 2014 nur zwei Stunden nach seiner Geburt, Mitglied desselben Vereins wird, den der Uropa vor 110 Jahren aus der Taufe gehoben hat. „Dass er so etwas Großes wie Schalke 04 gegründet hat, war immer etwas Besonderes. Er war sein Leben lang begeisterter Schalker, so wie unsere ganze Familie“, erzählt Alois Kessel.

Da ist Jürgen Sultz, der seinen Großvater Willy Gies nicht kennengelernt hat, dessen Stolz aber mit jeder Erzählung der Mutter und jedem wiederholten Lesen der Zeitungsartikel aus den 1960er-Jahren ein Stück mehr wuchs und der an jedem Geburtstag von Dülmen aus eine Tour nach Gelsenkirchen macht. Oder das ist Saskia Stolk, die Urenkelin von Willy Gies, die als gebürtige Niederländerin lange Zeit ein gebrochenes Verhältnis zum deutschen Teil ihrer Familiengeschichte hatte, die aber einen emotionalen Tag erlebt und sagt, dass sie diesen Teil „langsam zu umarmen beginnt“. Sie alle eint die persönliche Vergangenheit und – insbesondere beim Rundgang durch die VELTINS-Arena – das Wissen, dass ihre Vorfahren etwas Großes geschaffen haben.

Wer jedoch eine gedankliche Zeitreise ins Gründerjahr unternimmt, stellt fest: Der Zauber der ersten Tage ist unscheinbar, bescheiden, im Schatten der Zeche Consolidation sogar ärmlich. Und der Widerstand der Etablierten gegen diesen wilden Verein der Proletarier ist groß. Der Westdeutsche Spielverband, die Vertretung der Bürgerlichen, verweigert Schalke die Lizenz, legt dem Club und seinen Gründern schwere Steine in den Weg. Was 2015 das „Wir leben dich“ ausmacht, ist 1904, wie Arena-Pfarrer Barth formuliert, „die einfache Möglichkeit, sich zu finden, zu lachen, zu kämpfen, zu gewinnen, auch verlieren zu lernen. Es war gelebte Treue, Freundschaft, Heimat, Zusammenhalt – mit anderen Worten: Schalker sein“.

Willy Gies, Johann Kessel oder Heinrich Kullmann müssen in den Jahren nach 1904 kämpfen, um ihren Traum zu leben. Sie waren bodenständig und ebenso wagemutig. Sie verfolgten beharrlich ihr Ziel, ließen sich nicht einschüchtern oder unterkriegen. „Wir sind gut beraten, uns stets unserer Wurzeln zu besinnen“, bekräftigt Peter Peters. „Die Werte, denen sich unsere Gründer verschrieben haben, müssen und sollen uns immer Vorbild sein.“

Stimmen zur Gedenkfeier:

Peter Peters, S04-Vorstandsmitglied: Wir alle sind auf die eine oder andere Weise Nachkommen von Willy Gies, Johann Kessel oder Heinrich Kullmann. Als Enkel oder Urenkel, als Neffen und Nichten. Als Angestellte des Vereins. Oder wie Millionen Menschen überall auf der Welt als treue Anhänger. Das ist ein wunderbares Gefühl, aber auch eine große Verantwortung. Der Verein ist groß und stark und er bleibt groß und stark. Wir stehen täglich vor der Aufgabe und haben die Verpflichtung, unserem FC Schalke 04 einen soliden, sorgsamen und erfolgreichen Weg in die Zukunft zu bereiten.

Ernst-Martin Barth, Arena-Pfarrer: Auf meinem S04-Mousepad steht „Mit frischen Kräften zupacken“. Eine Woche nach Pfingsten beschreibt das einen Geist, von dem der Apostel Paulus sagt: „Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und Besonnenheit.“ Wir ahnen in diesen Tagen, dass das nicht immer leicht ist. Aber vielleicht war es auch das, was die Jungs damals in Schalke antrieb. Und ich spüre, dass davon auch weiterhin eine große Faszination ausgehen wird. Bis heute bekommen Menschen Gänsehaut oder Tränen in den Augen, wenn sie sich von dieser Geschichte berühren lassen.

Jürgen Sultz, Enkel von Willy Gies: Ich bin auf ewig und immer Schalker. Meinen Opa habe ich gar nicht kennengelernt, aber Erzählungen in der Familie gab es natürlich immer. Ich habe das Glück, in eine solche Familie hineingeboren worden zu sein. Als kleiner Junge habe ich mir darüber keine Gedanken gemacht, aber meine Mutter hat mir ständig von Opa und Schalke erzählt und etliche Zeitungsausschnitte aus den 60er-Jahren gezeigt, die ich immer wieder gelesen habe. Wenn ich mich der Arena nähere, ist das ein erhebendes Gefühl, wenn ich weiß: „Einer der Gründer war mein Großvater, und er hat einen tollen Verein ins Leben gerufen. Heute steht hier so ein schickes Stadion, in dem immer was los ist. Das wäre ohne die Jungs von damals nicht Realität.“

Alois Kessel, Neffe von Johann Kessel: Ich habe meinen Onkel, der wie mein Vater noch in der Goorstraße geboren worden ist, noch kennengelernt. Seine Frau war meine Patentante. Er hat mir erzählt, wie er in der Ruine von Haus Goor die ersten Fußbälle der Schalker versteckt hat. Onkel Johann war über 50 Jahre bei Küppersbusch beschäftigt, wie fast die ganze Familie. Ich selbst habe dort mehr als 40 Jahre gearbeitet. Eine Zeitung hat uns einmal den „großen Küppersbusch-Kessel-Kreisel“ genannt. Simon, der jüngste Nachkomme von Onkel Johann, ist heute ein Jahr alt und war zwei Stunden nach seiner Geburt Schalke-Mitglied.

Timo Stolk, Urenkel von Willy Gies: Sanne und Florian, die Ururenkel von Willy Gies, haben seine Begeisterung für Fußball und sein Talent geerbt. Sanne spielt in der obersten niederländischen Frauenliga, Florian hat mit seiner Mannschaft einen Wettbewerb gewonnen, der von Klaas-Jan Huntelaars Stiftung ausgeschrieben wurde. Verrückt, wie nah manchmal die Vergangenheit und die Gegenwart zusammenliegen.

Tags

Seite teilen